Wartet es IST ein melodramatischer viktorianischer Roman.
Jane ist sanft und schüchtern - in ihren eigenen Worten arm, schlicht, klein und unbedeutend. Jane besitzt aber auch große Charakterstärke, eine unerschütterlichen Glauben und viel Temperament wenn sie provoziert wird. In dieser denkwürdigen Szene als Mr. Rochester sie bittet ihn zu heiraten, sagt sie ihm klipp und klar, warum sie Thornfield Hall verlassen will.
(Seite 352, Zeile 13) "Und ich sage Ihnen, dass ich gehen muss,", entgegnete ich leidenschaftlich. "Glauben Sie, dass ich bleiben kann, um ein Nichts für sie zu werden? Meinen Sie denn, dass ich ein Automat bin, eine Maschine ohne Gefühl? Und dass ich es ertragen kann, wenn man mir ein Bissen Brot vom Mund un den Wassertropfen aus meinem Becher wegstiehlt? Glauben Sie, dass ich ohne Seele, ohne Herz bin, weil ich arm, klein, hässlich und einsam bin? Sie irren sich! Ich habe eine ebenso große Seele wie Sie und ebenso viel Herz! Wenn Gott mir nur ein wenig Schönheit und Reichtum geschenkt hätte, so würde ich es Ihnen ebenso schwer gemacht haben, mich zu verlassen, wie es mir jetzt wird, von Ihnen zu gehen. Ich spreche in diesem Augenblick nicht zu Ihnen, wie es Bräuche und Konventionen erforderten, und es ist auch nicht die Stimme des Fleisches, die hier spricht - es ist meine Seele, die zu der Ihren redet. Es ist, als hätten wir beide das Grab hinter uns gelassen und stünden zu den Füßen Gottes - einander gleich, was wir ja sind!"
Im Allgemeinen ist Jane eine sehr sanfte Person, aber es gibt Zeiten in denen sie ihre Meinung einfach kundtun muss.
Jane Eyre spricht offen und voller ehrlichkeit. "Ich mag Grobheit viel besser als Schmeichelei." Mit dieser Einstellung bekam sie in ihrer Kindheit viel Schwierigkeiten mit ihren verhassten Lehrern und ihrer Tante.
Jane hat ihre Grundsätze und ihre Überzeugungen, die sie nicht so schnell erschüttern lässt. Wie auch immer, das Buch ist in der Ich-Form geschrieben, so bekommt der Leser eine gesunde Dosis von Jane's Meinung über alles und jeden. "Konventionalität ist nicht Moral. Selbstgerechtigkeit ist keine Religion."
Aber es gibt eine Sache, die ich manchmal nicht ganz verstehen kann - warum verliebte sie sich in Mr. Rochester?
Ihr kennt die Geschichte. Mr. Rochester will Jane heiraten, aber ein kleines Detail steht ihm im Weg - seine verrückte Frau, eingesperrt auf dem Dachboden. Als Jane all dies erfährt verlässt sie kurzerhand Thornfield Hall...natürlich nicht ohne vorher ein intensives emotionales Trauma zu haben.
(Seite 413, Zeile 18) "Jane Eyre, die eine liebende, erwartungsvolle Frau, ja beinahe schon eine Braut gewesen war, war nun wieder ein kaltes, einsames Mädchen. Ihr Leben war farblos, ihre Aussichten trostlos." In dem Moment tut mir Jane Eyre schrecklich leid - als hätte sich die ganze Welt gegen sie verschworen.
Keine Sorge, das Buch endet mit einem Happy End. Nur ist es ein sehr langer Weg bis dahin. Jane Eyre verdient meiner Meinung nach auch ein glückliches Ende. Und da ist eine weitere Tugend von ihr, die ich vergaß zu erwähnen.
Sie ist unglaublich geduldig. Sie konnte auf ein so weit entferntes Happy End warten.
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